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Das Streben nach Perfektion im Beruf

Das Streben nach Perfektion im Beruf

Laut Duden definiert sich Perfektionismus als ein „übertriebenes Streben nach Perfektion“, was auf den ersten Blick in der Arbeitswelt eine positive Eigenschaft zu sein scheint, assoziiert mit Fleiß, Detailtreue und Ambition. Im Gegensatz dazu stehen die gesundheitlichen Folgen. Chronischer Stress, Unzufriedenheit, Angstzustände und Depressionen sind die Folgen von den Verhaltensmustern und dem Streben nach Vollkommenheit. Glaubt man den Ergebnissen einer Studie von Alexander Proudfoot Consulting, kann sich Perfektionismus in rund 26 krankheitsbedingt versäumten Arbeitstagen pro Mitarbeiter, und dadurch entstehenden Kosten von ca. 135 Milliarden Euro jährlich, äußern. Die Ursache: Perfektionisten tendieren dazu, sich zu lange mit Details aufzuhalten und können die Arbeitsschritte nur schwer abzuschließen Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beschwerden oder mentale Überbelastung, was den Ausfall der Mitarbeiter sowie die damit verbundenen Kosten abermals verstärkt.

    Perfektionismus muss nicht per se schlecht für ein Unternehmen und dem Mitarbeiter sein. In seiner gesunden Form ist Perfektionismus meist sehr gewinnbringend für beide Parteien.

      Die vielen Facetten des Perfektionismus

      Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten des Perfektionismus unterschieden: dem gesunden und dem ungesunden Perfektionismus. In der Forschung wird in diesem Kontext zwischen dem funktionalen und dem dysfunktionalen Perfektionismus unterschieden. Funktionale Perfektionisten streben meist intrinsisch motiviert nach Perfektion und wissen jedoch auch, dass ihre Ziele nicht immer erreichbar sind. Zwar lassen sich funktionale Perfektionisten als äußerst anspruchsvoll beschreiben, nichtsdestotrotz können sie Fehler akzeptieren und aus ihnen lernen. Es findet kein Schwarz-Weiß-Denken statt. Somit sind funktionale Perfektionisten äußerst wertvoll für das Unternehmen.

      Dysfunktionale Perfektionisten hingegen tendieren dazu, übermäßig kritisch mit sich selbst und ihrer Umwelt zu sein. Das Streben nach Perfektion ist meist stark extrinsisch motiviert. Da es nahezu unmöglich ist, Fehler gänzlich zu vermeiden und vollkommene Perfektion zu erreichen, sind dysfunktionale Perfektionisten häufig unzufrieden mit ihren Leistungen. Sie stehen unter permanentem Druck und neigen demnach eher dazu, mittelfristig psychisch oder physisch zu erkranken. Dysfunktionale Perfektionisten sind für Krankheitsbilder, wie beispielsweise dem Burnout und Depressionen, besonders anfällig.

        Faktoren mit Einfluss

        Besonders im Arbeitskontext können durch dysfunktionalen Perfektionismus höhere Opportunitätskosten anfallen, etwa dadurch, dass für Aufgaben unverhältnismäßig viel Zeit beansprucht wird. Auch kann ein positives Arbeitsklima durch übertriebenes Streben nach Perfektion leiden. Die Perfektionisten erwarten von ihren Kollegen ein ähnlich hohes Streben nach Perfektion, was zu beidseitigen Frustrationen führen kann. So schadet die Person nicht nur sich selbst, sondern auch den Kollegen und dem Betriebsklima. Perfektionistische Führungskräfte stellen oftmals hohe und unklar definierte Erwartungen an ihre Mitarbeiter, während eine Wertschätzung derer Leistungen häufig ausbleibt.

        Die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen werden zu häufig unterschätzt oder gar ganz ignoriert. Von Depressionen, Burnout und Suizidgedanken bis zu starken Rückschmerzen, Bluthochdruck und Sehnenentzündungen, leiden die dysfunktionalen Perfektionisten besonders häufig.

          Krankhaften Perfektionisten auf die Schliche kommen

          Es ist alles andere als trivial, dysfunktionalen Perfektionismus zu erkennen ist sehr schwer. Eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ermöglicht es, den Arbeitsalltag strukturiert zu hinterfragen: Wie vielen Aufgaben müssen sich die Mitarbeiter gleichzeitig widmen und ist dies eventuell einer Unterbesetzung geschuldet? Inwieweit sind Überstunden und Zeitdruck die Norm? Erfüllen die Mitarbeiter tatsächlich die ihnen auferlegten Aufgaben und inwieweit stehen ihnen dabei die Führungskräfte unterstützend zur Seite? Basierend auf diesen Fragen lassen sich sowohl perfektionistisches Verhalten als auch jene Faktoren identifizieren, die psychisch belastend wirken. Das dient der Stärkung des Arbeitsklimas und ist damit auch der Stärkung der Gesundheit der Mitarbeiter zuträglich.

            Dysfunktionale Perfektion bekämpfen

            Nachdem in einem ersten Schritt mithilfe einer Gefährdungsbeurteilung das Problem erkannt wurde, ist es nun sowohl für den Arbeitnehmer als auch für die Führungskraft von Bedeutung, geeignete Gegenmaßnahmen zu definieren. Vor allem eine angemessene Work-Life-Balance gilt als obligatorisch für die Aufrechterhaltung und Förderung der psychischen und physischen Gesundheit. In diesem Zusammenhang definiert das Arbeitsgesetz klare Vorgaben: Die tägliche Arbeitszeit darf in der Regel maximal acht Stunden betragen und sieht Ruhepausen von bis zu 45 Minuten täglich vor. Einige Unternehmen haben außerdem Entlastungskonzepte etabliert, wie zum Beispiel das automatische Löschen von E-Mails während der Urlaubszeit des Mitarbeiters. Hilfreich ist es außerdem, wenn Führungskräfte ihre Erwartungen klar formulieren, die Resultate ihrer Mitarbeiter angemessen loben und eine konstruktive Fehlerkultur an den Tag legen.

            Letztlich gilt es allerdings zu betonen, dass jene Konzepte nur am Symptom und weniger an der Ursache des dysfunktionalen Perfektionismus ansetzen. Eine kognitive Verhaltenstherapie knüpft an den Ursachen an und kann Perspektiven aufzeigen. Durch eine Therapie können Betroffene lernen, konstruktiv mit negativem Feedback umzugehen und Aufgaben mit realistischeren Erwartungen anzugehen. Dies kann nicht nur das allgemeine Wohlbefinden erhöhen, sondern auch gute Leistungen z. B. im Job begünstigen – eine echte Chance für Mitarbeiter und Unternehmen.

            *Der einfacheren Lesbarkeit halber wird in diesem Text lediglich die maskuline Form der Personengruppen verwendet – gemeint sind damit allerdings Männer und Frauen gleichermaßen

            Quelle: Luise Knecht, aktualisierter Beitrag