1. Home>
  2. Blog>
  3. Arbeitsrecht>
Narrenfreiheit im Home-Office – wer neue Freiheiten missbraucht muss mit dem Abbruch rechnen

Narrenfreiheit im Home-Office – wer neue Freiheiten missbraucht muss mit dem Abbruch rechnen

Im März kam es in den deutschen Büros endlich zum digitalen Durchbruch. Um das Gesundheitsrisiko zu verringern und eine Fortführung des Geschäftsbetriebes zu garantieren, sendeten die Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie nur irgendwie möglich nach Haus ins Home-Office. Für viele kam dieser Sinneswandel überraschend, war das Home-Office doch vorher nur für 39 Prozent der deutschen Arbeitnehmer zugänglich und das mehrheitlich auch nur begrenzt. Vor der Corona-Pandemie wünschten sich bereits 64 Prozent der befragten Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf einen Home-Office-Platz.

Dementsprechend möchten einige Arbeitnehmer nicht wieder zurück ins Büro. Das sorgt bei einigen Führungskräften für Unmut und es stellt sich die Frage: Können die Mitarbeiter wieder ins Büro geordert werden?

    Arbeitsrecht – die Zielvereinbarung und Widerrufsklausel

    Vorab gilt klarzustellen, dass die Zielvereinbarungen, Tätigkeitsfelder und arbeitsvertragliches Weisungsrecht auch im Home-Office weiterhin gelten. Zeigt der Mitarbeiter im Home-Office eine Vernachlässigung seiner vertraglich vereinbarten Pflichten und der zugewiesenen Arbeit durch Verhaltensmuster, wie beispielsweise die Abwesenheit während Präsenz- und Kernzeiten, Datenschutz-Verletzungen oder verpasste Deadlines, kann der Arbeitgeber von einer Widerrufsklausel in der bestehenden Home-Office-Vereinbarung Gebrauch machen. Falls eine vorliegen sollte. Unabhängig, ob es nun eine Widerrufsklausel existiert oder nicht, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet zu seiner Entscheidung Stellung zu beziehen und die Umstände, die zur Beendigung geführt haben, zu begründen.

    Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, sah in einer Vereinbarung eines vorbehaltlosen Widerrufs eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters und lehnte deshalb den Widerruf des Arbeitgebers ab. Der Arbeitgeber muss handfeste, nachweisbare Belege dafür haben, um die Angestellten wieder ins heimische Büro bestellen zu können.

    Wer seine Mitarbeiter zurückholen möchte, braucht eine rechtlich nachvollziehbare Begründung. Die Argumentation, dass die Corona-Pandemie zu einer schnellen, in manchen Fällen übereilten, Entscheidung führte, zählt dabei nicht. Wer seiner Tätigkeit in der dreimonatigen Ausnahmesituation nachgehen konnte, kann dies auch tun, wenn sich der Berufsalltag normalisiert. Es ist also ein langer, arbeitsrechtlicher Prozess nötig, um dazulegen, wieso der Arbeitgeber die rechtmäßige Ausübung seines Weisungsrechts nutzen kann.

    Die Unternehmenskultur spielt bei der Zurückverlegung der Mitarbeiter eine große Rolle. Patriarchische Strukturen blockieren eine wirksame Einführung und Nutzung des Home-Office. Des damit verbundenen Präsentismus setze die Mitarbeiter und deren Leistung über längere Zeiträume stark unter Druck. Es bedarf eines Umdenkens auf höchster Ebene, um das Thema Homeoffice zu etablieren. Denn auch wenn Corona die treibende Kraft war, muss der Arbeitsplatz Zuhause vor allem von den Führungskräften verstanden und akzeptiert werden.

      Eine zweite Option – die Versetzungsklausel

        Wer sich zuvor bereits mit dem Thema Home-Office auseinandergesetzt hat, wird öfter auf eine Versetzungsklausel gestoßen sein. Diese wird in Standardarbeitsverträgen dazu genutzt, denn Arbeitsplatz des Mitarbeiters festzulegen. Im Home-Office-Vereinbarungen erfühlt die Versetzungsklausel einen ähnlichen Zweck, mit jedoch einiger Unterschiede.

        Die Versetzungsklausel gibt dem Arbeitgeber das Recht, die Beendigung des Home-Office mit Vorbehalt durchzuführen, wenn die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers, das Interesse des Arbeitnehmers am Home-Office überwiegt. Beispielsweise kann der Arbeitgeber ein betriebliches Interesse daran haben, den Teamleiter eines Projektes mindestens einmal pro Woche im Unternehmen eines jeweiligen Standortes anzutreten. Der Einsatz einer Versetzungsklausel muss nicht zwingend bedeuteten, dass der Arbeitnehmer gar keine Home-Office-Option zur Verfügung hat. Eine Versetzungsklausel kann auch von temporärer Natur sein und garantiert in den meisten Fällen eigentlich nur, dass die gewährte Flexibilität durch das Home-Office auch auf Erwiderung von seitens des Arbeitnehmers stößt. Man setzt also eher auf individuelle, abgesprochene Lösungen, welche die Bedürfnisse des Arbeitgebers und des Beschäftigten immer wiedergeben. 

        Wohlangemerkt trifft diese Regelung nur auf Mitarbeiter zu, welche vorher im Büro arbeiteten. Die Mitarbeiter, mit einem vorher geschlossene permanenten Home-Office-Arbeitsverträge, können nachträglich nicht ins Büro zurückverlegt werden.

          Der Betriebsrat kann mitentschieden

          Sollte der Arbeitgeber dennoch sein Widerrufsrecht, oder die Versetzungsklausel, durchsetzen möchten, kann dies nicht ohne die Miteinbeziehung des Betriebsrates geschehen. Nach Paragraf 99 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bedarf es einer vorherigen Zustimmung des Betriebsrates. Werden die Mitarbeiter ohne die Information und Zustimmung des Betriebsrates in das Büro zurückbestellt, wird die Anweisung unwirksam.

          So braucht der Arbeitgeber die Begründung, inklusive der Beweise, nicht nur für eine rechtliche Auseinandersetzung, sondern muss diese auch dem Betriebsrat vorlegen.

            Zusammengefasst:

            • Fast jeder dritte deutsche Arbeitnehmer wünscht sich nach der Corona-Krise weiterhin im Home-Office arbeiten zu dürfen
            • Die genaue Prozentzahl der Arbeitnehmer, welche durch die Corona-Pandemie in das Home-Office gewechselt sind, ist immer noch unklar.
            • Eine Widerrufsanspruch muss begründet und bewiesen werden.
            • Der Mitarbeiter kann nicht gezwungen werden zurückzukommen, wenn keine rechtlich haltbaren Gründe vorliegen.
            • Eine Versetzungsklausel in einer Home-Office-Vereinbarung schafft Flexibilität für beide Seiten.
            • Der Betriebsrat ist sowohl bei der Durchsetzung eines Widerrufs, ebenso wie bei der Anwendung einer Versetzungsklausel, zu informieren. Geschieht dies nicht, wird das Vorgehen unwirksam.