Rückkehr der Stechuhr: Zeiterfassung bald Pflicht
Das Urteil kam überraschend. Sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer*innen und Rechtsexperten. Die Zeiterfassung ist bald wieder verpflichtend in deutschen Unternehmen. Oder doch nicht? Das steckt hinter dem BGA-Urteil.
System zur Zeiterfassung bereitstellen
Die Politik zögert noch. Doch die Richter*innen am Bundesarbeitsgericht (BGA) in Erfurt haben jetzt Nägel mit Köpfen gemacht. In einem wegweisenden Grundsatzurteil werde Arbeitgeber zu folgendem verpflichtet: „Ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“
Die Folgen dieser Entscheidung sind von großer Tragweite. Sowohl für Arbeitgeber als auch die Bundesregierung als Gesetzgeber. Denn das Urteil ist aus Sicht von Experten eine echte Überraschung. „Es ist eine faustdicke Überraschung", findet der Münchner Arbeitsrechtler Philipp Byers von der Kanzlei Watson Farley & Williams.
Anderer Ausgangsfall
Das Urteil basiert auf einem Rechtsstreit, deren eigentliche Frage sich gar nicht um die Pflicht bezüglich der Zeiterfassung drehte. Der Betriebsrat einer Pflegeeinrichtung wollte erreichen, dass die Arbeitszeiten der Beschäftigten dokumentiert werden.
Dem widersprach allerdings die Geschäftsführung. Daraufhin versuchte der Betriebsrat die Zeiterfassung zu erzwingen. Erst über eine Schlichtungsstelle und dann vor dem Arbeitsgericht.
Erstes überraschendes Urteil
Das Landesgericht Hamm sorgte schließlich für eine erste kleinere Überraschung. Die Richter bewilligten dem Betriebsrat ein sogenanntes „Initiativrecht“. Damit wichen sie von der seit 1989 geltenden Rechtsprechung ab.
Diese vorherrschende Rechtsmeinung ist, dass ein Betriebsrat nur ein sogenanntes „Abwehrrecht“ haben. Sprich, sie konnten die Zeiterfassung nur verhindern, aber nicht verlangen.
BGA geht Schritt weiter
Von den Erfurter Richter*innen wurde deshalb eine Entscheidung in Bezug auf das „Initiativrecht“ erwartet. Doch das BGA ging gleich einen Schritt weiter.
Denn bereits 2019 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Arbeitgeber in der Europäischen Union ein System zur Zeiterfassung einführen müssen. Diesem Grundsatz schlossen sich die Richter*innen an.
Damit ist die Frage nach dem „Initiativrecht“ indirekt beantwortet. Da die Arbeitgeber ein Zeiterfassungssystem einführen müssen, benötigt der Betriebsrat kein eigenes Recht auf Einführung eines Systems für Zeiterfassung.
Christoph Mers
Online Content Manager
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