Heute Vertrauensarbeitszeit, morgen stempeln – Worauf müssen Arbeitgeber jetzt achten?
16. September 2022
Workation, Home Office und Vertrauensarbeitszeit: Diese Begriffe bestimmten in den vergangenen Jahren die Arbeitskultur vieler deutscher Unternehmen. Eine geregelte Arbeitszeiterfassung oder Stechuhr im Büro suchte man dagegen vielerorts vergebens. Das könnte sich nun durch ein Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts ändern.
Während die Ampel-Koalition noch debattiert, geht das Bundesarbeitsgericht schon einen Schritt weiter und entschied am Dienstag, dass Arbeitgeber*innen verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Angestellten zu erfassen. Inken Galler, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, begründete die Entscheidung mit dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019. Expert*innen rechnen schon jetzt mit weitreichenden Änderungen für Arbeitgeber*innen in Deutschland.
Als führender europäischer Anbieter von Personallösungen kennt SD Worx die Herausforderungen, vor die Unternehmen durch kurzfristige rechtliche Änderungen gestellt werden. „Im Zusammenhang mit einem solchen Urteil ergeben sich in erster Linie viele Fragen und Unsicherheiten für Arbeitgeber*innen“, erklärt Sven Appelt, Head of Consulting 3rd Party bei SD Worx. Die konkrete Umsetzung der EuGH-Vorgaben von 2019 steht zurzeit noch aus, damit ist bisher unklar, wie und in welchem Umfang diese in Deutschland Anwendung finden werden. Eine Unsicherheit, die gerade für Mitarbeitende im Home Office zur Belastung werden kann.
Empfehlung vom Experten
Sven Appelt empfiehlt Unternehmen deshalb schon heute, sich über den Einsatz eines Zeiterfassungssystems Gedanken zu machen: „Unternehmen sollten kurzfristig prüfen, welche Art von Lösung den eigenen Vorstellungen entspricht und damit beginnen, Arbeitszeiten zu dokumentieren. Für den Anfang kann das schon mit bestehenden Mitteln wie den MS-Office-Anwendungen einfach umgesetzt werden. Je nach Größe des Unternehmens und Komplexität der Lösung, können auch Systeme zur Arbeitszeiterfassung innerhalb weniger Wochen eingeführt werden. Damit zeigt man als Führungskraft seinen Angestellten: Eine Arbeitszeiterfassung muss keine Rückkehr ins Büro bedeuten, es gibt dank Softwarelösungen andere Optionen.“ Auch über die Arbeitszeiterfassung hinaus sieht er konkreten Handlungsbedarf. „Unabhängig vom aktuellen Urteil besteht für Arbeitgeber*innen, Führungskräfte und Mitarbeitende die Pflicht, sich auch ohne Zeiterfassung an die gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit zu halten“, erklärt Sven Appelt. Dazu gehöre beispielsweise die Einhaltung von Pausen und Ruhezeiten. Zudem sei jetzt ein guter Zeitpunkt für Unternehmen, die betrieblichen Vereinbarungen und Arbeitsverträge auf rechtliche Vollständigkeit zu prüfen. „Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat der Umsetzung der EuGH-Vorgabe von 2019 neue Relevanz verliehen. Arbeitgeber*innen sollten schon heute die Weichen stellen, um die ausstehenden rechtliche Vorgaben in Zukunft zeitnah umsetzen zu können“, erklärt Sven Appelt abschließend.